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Nach 11 Jahren, ein Wiedersehen mit unserer

Heimatgemeinde Rekasch.


 


von Hilde und Andreas Stark


 

Rumänienreisen sind für Berufstätige nicht gerade zum Ausruhen und Entspannen gedacht, sie bedeuten eher Strapazen und Hektik zugleich. Deshalb haben meine Frau und ich, als frische und ausgeruhte „Ruheständler“, uns entschlossen, die alte Heimat Rekasch nach längerer Zeit zu besuchen. Die rund 1400 km sind zeitweilig eine unendlich lange Strecke, aber das noch immer vorhandene Heimatgefühl und die Sehnsucht entfesseln ungeahnte Kräfte zum Durchhalten.

Die EU ist mittlerweile auch in Osteuropa angekommen: Unbesetzte Grenzübergänge, keine Kontrollen, aber „Pickerl“ und „Vigneta“ sind Pflicht. Die Autobahn endet bei der ungarischen Stadt Szeged und danach geht es größtenteils auf Landstraßen weiter. Man wird überholt und überholt selbst und ist oft über die eigenen „Fahrkünste“ erstaunt. Mut und Risiko gehören dazu.
Die für viele von uns vertraute „Großstadt“ Temesvar vermittelt mit ihren schlechten Straßen einen befremdeten Eindruck.


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Unsere Durchfahrt nach Rekasch gestaltete sich abenteuerlich, weil wir den neuen Wegweisern gefolgt, in einem uns unbekannten Neubauviertel gelandet sind und zugleich mit einem rabiaten und sehr aggressiven Fahrstil der „neureichen Rumänen“ mit ihren PS-starken Autos konfrontiert wurden. Aber man passt sich schnell an und nach wenigen Tagen fährt man genau so irrsinnig, manchmal auch notgedrungen.

Schon vor Rekasch sieht man aus dem Auto heraus die schöne, große Rekascher Kirche. Gefühle von Wehmut und Freude zugleich kommen auf. Man weiß, es ist geschafft, jetzt sind wir wieder daheim und man erinnert sich spontan an viele Erlebnisse von früher.

Unsere Gastfamilien Matthias Hentschl , Nelu Florea und Nicu Doaga waren Spitze. Die schon sprichwörtliche Gastfreundschaft der Rumänen ist unübertrefflich. Die Menschen sind alle so freundlich, man grüßt sich auf der Starße, ist sofort bekannt, man gibt sich „Bussis links und Bussis rechts“, man mag sich, man spricht dieselbe Sprache, man weiß wie diese Menschen denken, man kann ihre Gefühle erahnen und das macht alles so einfach.

Partys werden ad-hoc durchgeführt: Es werden „Mici“ und Steaks gegrillt, die Schnapsflasche geht im Kreis herum und die Stimmung ist prächtig. Man benötigt weder Catering oder sonstigen Service; auch wird vorher keine Sitzordnung festgelegt. 

Die Rekascher Kirche und das Pfarrhaus sind nach Sanierungen, in einem sehr guten Zustand. Der Gottesdienst, weil vielsprachig, ist gewöhnungsbedürftig. Erstaunlich für uns war die große Anzahl der Katholiken rumänischer Herkunft. 


Die Begegnung mit dem Friedhof weckt in jedem von uns besondere Gefühle. Man steht vor den Gräbern der Eltern und Großeltern und wird zeitweilig von einem schlechten Gewissen erfasst, weil dieser Personenkreis uns erzogen hat und wir selbst für sie so wenig tun können. Der neue Friedhofzaun ist vorne ganz und seitlich größtenteils fertigestellt und verhindert, dass weidendes Vieh oder Geflügel in den Friedhofsbereich eindringen und Schäden verursachen.


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Der Blick vom Friedhof aus zu den Rekascher Weingärten zeigt ein Neubauviertel der Stadt Rekasch. Dort haben sich junge, neu hinzugezogene Familien angesiedelt, die teilweise noch eifrig am Bau ihrer neuen Heime werkeln. Dieses neue Wohngebiet scheint aber derzeit noch nicht ganz erschlossen zu sein und macht auf den fremden Betrachter einen ziemlich unsystematischen Eindruck. In unmittelbarer Nähe soll die zukünftige Autobahn (Timisoara-Lugoj) verlaufen. (Sagt man!) 

Mit Ausnahme der Hauptstraße sind die seitlichen Gassen in Rekasch größtenteils unverändert. Das Bild der Hauptstraße selbst,  wird von großkotzigen Villen der Zigeuner geprägt. Die meisten davon sind unbewohnt, verlassen und dem Verfall preisgegeben. Die Rekascher meinen, den Zigeunern wäre das Geld ausgegangen. Man muss sich auch zwangsläufig fragen dürfen, woher sie seinerzeit die Gelder hatten, um solche unsinnige, protzige Bauten zu errichten?

Eine positive Überraschung für uns war der Besuch des Rekascher Heimatmuseums. Im ehemaligen Haus des Dr. Josef Stitzl untergebracht, zeigt es wichtige Phasen aus der Entstehung und Entwicklung unserer Großgemeinde. Dabei ist der deutsche Anteil seht gut vertreten. Man sieht stark vergrößerte Fotos aus früheren Zeiten: Schulen mit Klassenbildern, die Feuerwehr, Blaskapellen mit ihren Dirigenten, ganze Straßenzüge von früher, die Kirchweihfeste, Arbeitsgeräte, ehemalige Rekascher Sportgrößen(Teilnehmer an der Olympiade 1936 in Berlin), typische Fest-und Arbeitskleidung und vieles mehr. Dieses Museum wurde gekonnt und mit viel Fleiß und Einsatz von Frau Veronika Andrusiac eingerichtet und gestaltet. Nur durch zähe Verhandlungen des Bürgermeisters, Herr Pasca, konnte man die notwendigen Summen aus Bukarest hierfür erhalten und den Erweb des Hauses durch zahlungskräftige Zigeuner verhindern und somit einem Abriss des Hauses entgegenkommen.

Liebe Landleute, ein Besuch dieses Heimatmuseums lohnt sich allenfalls. Zwei Wochen bei herrlichem Sommerwetter in Rekasch, sind für uns wie im Flug vergangen. Wir konnten uns vor ehrlich gemeinten Einladungen kaum wehren. Allerdings haben dort Milkaschokolade und Jakobskaffe nach wie vor einen hohen Stellenwert. Aber sind wir doch ehrlich: Auch wir waren früher für gewisse Sachen aus Deutschland im höchsten Grad begeistert!

Der Abschied von alten und neuen Freunden gestaltete sich schwierig, aber er war geprägt von guten Wünschen, verbunden mit Glück, Gesundheit und Zufriedenheit. 

Während der Rückfahrt haben wir uns folgende Frage gestellt: Was antworten wir, wenn man uns auf einer Raststätte nach unserem Reiseziel fragt? Wir hätten wohl gesagt: „Wir fahren von daheim nach Hause, oder von der alten in die neue Heimat.

 

Karlsruhe, im Juli 2009.                          
Hilde und Andreas Stark