Josef Anton Geml - in Rekasch geboren

wurde vor 100 Jahren Bürgermeister von Temeswar



Josef Anton Geml wurde am 28.3.1858 als Sohn eines Lehrers in Rekasch geboren. Sein Vater Josef Geml unterrichtete ab 1855 an der deutschen katholischen Elementarschule, die von der Gemeinde Rekasch auf eigene Kosten betrieben wurde. 1868 wurde sie offiziell zu einer konfessionellen Schule umgewandelt.

 



Porträt aus dem Jahre 1899 - im Besitz von Josef Stricker



In den Jahren 1860 und 1861 war die Sterblichkeitsrate in Rekasch verhältnismäßig hoch. Davon betroffen war auch Josef Anton Gemls Mutter Ottilia, die am 24.4.1860 starb, als er gerade mal 2 Jahre alt war. Sein Vater heiratete danach Clementine Wild. Dieser Ehe entstammten drei weitere  Kinder, die ebenfalls in Rekasch geboren wurden. Von wenigen Ausnahmen abgesehen lebten damals nur Deutsche und Schokatzen in dem rund 3.400 Einwohner zählenden Rekasch, das der einzige Ort mit überwiegend deutschen Bewohnern entlang der Verbindungsstraße von Temeswar nach Lugosch war. Der junge Geml verbrachte eine unbeschwerte Kindheit in Rekasch, das damals schon ein Marktflecken mit Stuhlrichteramt, Notar, Post- und Telegrafenamt war. Ein Arzt sowie eine Apotheke waren ebenso vorhanden wie eine Mühle neben dem heutigen Friedhof, deren Gelände nach einem Brand der Mühle 1861 zur Erweiterung des Friedhofs verwendet wurde. Nach dem Besuch der Elementarschule in Rekasch wollte der junge Josef Anton Geml zunächst seinem Vater nacheifern und auch Lehrer werden. Er kam 1868 nach Temeswar in die innere Stadt – genannt Festung, die die innere Stadt mit neuneckig umbauten dreifachen Wällen umschloss. Dort besuchte er bis 1872 das Gymnasium. Mit dieser schulischen Grundvoraussetzung konnte er von 1872 bis 1876 die Lehrerbildungsanstalt in Temeswar besuchen, die er mit der Lehrerbefähigung abschloß. Sein Ehrgeiz und sein Wissensdrang war damit aber nicht befriedigt; es zog ihn vielmehr nach Budapest, wo er von 1876 bis 1881 Staats- und Rechtswissenschaften studierte und das Examen ablegte. Seiner beruflichen Karriere innerhalb der Stadtverwaltung von Temeswar war damit Tür und Tor geöffnet.

Mit dem Staatsexamen in der Tasche wurde er als 23-Jähriger 1881 als Notar angestellt. 1884 wurde er zum zweiten Stadtnotar berufen und von 1890 bis 1896 hat er das Amt des städtischen Obernotars in Temeswar ausgeübt. Seine hervorragenden Leistungen führten schließlich dazu, dass er 1896 zum stellvertretenden Bürgermeister der Stadt ernannt wurde. Wenige Tage vor Ausbruch des ersten Weltkrieges am 15.6.1914 wurde er zum ersten Bürgermeister der Stadt Temeswar gewählt. Dieses Amt übte er auch noch während der kurzen Zeit der Banater Republik (1.-15.11.1918) und  während der anschließenden Besetzung Temeswars durch die serbischen Truppen (die nur die Militärverwaltung ausübten) aus. Nach dem Einmarsch der rumänischen Truppen in Temeswar (3.8.1919)  wurde er am 4.9.1919 von den Rumänen in den Ruhestand versetzt. Sein Nachfolger war der Rumäne Stefan Vidrighin, der ihn nach einer kurzen Übergangszeit aufgrund seiner großen fachlichen Kentnisse  wieder zum zweiten Bürgermeister vorschlug.

Während seines langjährigen Wirkens hat er sich in den verschiedenen Funktionen außerordentlich große Verdienste um die Stadt Temeswar erworben. Die Umgestaltung und Modernisierung der Stadt in eine moderne Großstadt war ihm dabei ein besonderes Anliegen. Insbesondere während der vielen Jahre seiner Tätigkeit als Obernotar und als Vizebürgermeister war er die unentbehrliche rechte Hand des damaligen Bürgermeisters Karl Telbisz und konnte so entscheidende Impulse zur Verwirklichung bedeutender Vorhaben geben. Josef Anton Geml war ein ausgezeichneter Verwaltungsfachmann, der die im Jahre 1892 prinzipiell ausgesprochene Entfestigung der inneren Stadt und das Abtragen der Festungsmauer bis 1910 aktiv an entscheidenden Stellen in der Stadtverwaltung  vorangetrieben hat. Damit hat er dazu beigetragen, dass der Ausbau und die Verbindung zu den Vorstädten gelungen ist.



 Das Franz-Joseph-Theater Temeswar um die Jahrhundertwende 
(Alte Ansichtskarte aus der Sammlung Stefan Lehretter)


In seiner Funktion als Bürgermeister war er bestrebt, die Entwicklung der Stadt Temeswar weiter zu führen. Angesichts der Ereignisse des ersten Weltkrieges wurde sein Tatendrang als Bürgermeister aber zum Teil sehr gebremst. Zu seinem Leidwesen musste die Weiterführung selbst schon begonnener Vorhaben vielfach gedrosselt werden. Große Verdienste hat sich Josef Anton Geml auch mit der Herausgabe des städtischen Amtsblattes ab 1898 erworben, das sehr viel wertvolles statistisches, wirtschaftliches und kulturelles Datenmaterial enthielt.

Kurz nach dem Renteneintritt erlitt er einen Schlaganfall, von dem er sich aber wieder erholte. Danach entschloss er sich, die  Erinnerungen und Erlebnisse während seiner letzten Jahrzehnte in Temeswar seinen Mitmenschen in Buchform zu schildern. Er schrieb deshalb das 446 Seiten umfassende Buch „Alt-Temesvar im letzten Halbjahrhundert 1870-1920“, das 1927 in einer Auflage von nur 100 Exemplaren erschienen ist. Darin wird anhand zahlreicher Beispiele die Entwicklung  der Stadt Temeswar über fünf Jahrzehnte hinweg dokumentiert. Der Wandel in den einzelnen Stadtteilen wird ebenso geschildert wie die Situation von Sport, Kultur, Wirtschaft, Verkehr u.a. Dieses Standartwerk ist eine wertvolle geschichtliche Quelle für die Stadt Temeswar.

Dazu zählen aber auch seine Studien „Öffentliche Zustände in Temesvar“ und „Statistik Temesvars“ sowie seine Veröffentlichungen „Studium zur Frage der Arbeiterwohnung“ und „Wohnungspolitik in Temesvar“. Bereits 1916 erschien sein Werk „Mackensen in Temesvar“.

In Würdigung seiner großen Verdienste wurde er 1908 mit der Auszeichnung „Königlicher Rat“ geehrt und während seiner Zeit als Bürgermeister wurde ihm das „Offizierskreuz des Franz-Joseph-Ordens“ verliehen.

Josef Anton Geml wurde in einer Zeit geboren, als das Banat zum Reich der Habsburger Monarchie gehörte. Nach dem österreichisch-ungarischen Ausgleich im Jahre 1867 kam es zum Königreich Ungarn. In der Folgezeit hat die Madjarisierungspolitik ihren Lauf genommen. Mit dem Inkrafttreten des Nationalitätengesetzes von 1868 wurden den einzelnen Nationalitäten im Banat zwar Rechte in ihrer Muttersprache (Schulen und Amtssprache in den Gemeindeverwaltungen) zugestanden; unter dem Druck des madjarischen Nationalismus ist dieses Gesetz aber niemals konsequent  verwirklicht worden. Dies führte beispielsweise sogar so weit, dass durch das Apponinische Schulgesetz von 1907 die Einführung der madjarischen Unterrichtssprache in allen vom Staate unterstützten (auch konfessionelle) Schulen verfügt wurde – ohne dass das Gesetz von 1868 außer Kraft gesetzt wurde. Dabei durften sich die Kinder weder in den Schulpausen noch auf dem Schulweg in ihrer deutschen Muttersprache unterhalten. Dies ist wichtig zu wissen, um das Wirken von Josef Anton Geml, der nahezu 4 Jahrzehnte in Diensten der Stadt Temeswar stand, zu verstehen. Er hatte die offizielle Anschauung der damaligen ungarischen Politik zu vertreten und wurde deshalb auch als ein Vertreter der Madjarisierungspolitik des ungarländischen Deutschtums bezeichnet. Es blieb deshalb nicht aus, dass er von deutschgerichteten Kreisen gelegentlich kritisiert wurde; so gab es beispielsweise eine heftige briefliche Auseinandersetzung mit dem Heimatdichter Adam Müller-Guttenbrunn, der ihn der Unterdrückung der Nationalitäten in Ungarn im Bereich des Schulwesens bezichtigte.

Josef Anton Geml ist am 3.4.1929 im Alter von 71 Jahren in der Blaskovics-Kolonie in Temeswar verstorben. Auf dem Innerstädtischen Friedhof in Temeswar hat er seine letzte Ruhestätte gefunden. Da er keine direkten Nachkommen hatte, wurde sein Erbe von seinem Neffen Adalbert Geml verwaltet, der sich mit seiner Familie nach dem zweiten Weltkrieg in Rekasch niedergelassen hatte und damit den Geml-Familienkreis zu Rekasch wieder geschlossen hat. Bis zu seinem Renteneintritt war er Buchhalter bei dem dortigen landwirtschaftlichen Staatsbetrieb GOSTAT, und seine Frau Gisela war 1948/1949 an der deutschen Schule und danach an der ungarischen Schule als Lehrerin tätig. Seine Tochter Herta hat 1947 den Rekascher Ernst Stricker geheiratet. Sie und der 1949 geborene gemeinsame Sohn Josef leben heute in Deutschland und halten das Andenken an ihren berühmten Verwandten, der vor 100 Jahren Bürgermeister von Temeswar wurde, in Ehren.

 

Franz Bertram

 

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