Die Schwarze Madonna von Rekasch
Von Dr. Franz Metz
Wer heute durch den Banater Ort Rekasch fährt, dem fallen in erster Linie die vielen Villen und Paläste der dort wohnenden Zigeuner (Romas) auf. Viele dieser Neubauten stehen seit Jahren unbeendet und leer, das Gras wächst aus allen Fugen der Mauern. Man sagt, der Eigentümer sitzen irgendwo in Deutschland oder Amerika hinter Gitter. Mit der Geschichte des Ortes haben diese neuen Bewohner aber nichts zu tun. Oder doch?
In der katholischen Kirche befindet sich ein Marienaltar mit einer Schwarzen Madonna, daneben eine große Marmortafel mit der vergoldeten Inschrift: Zur Erinnerung an die durch Se. Gnaden, den Hochw. Herrn Ludwig v. Kayser, Päpstlicher Hausprälat, Odoner Probst, Domherr, am 2. Juli 1927 vollzogene Weihe dieses Marien Altares welchen die Temesvar-Fabriker katholischen Volksmusiker im frommen Opfersinn zu Ehren der glorreichen Himmelskönigin, gestiftet zur Zeit des Seelsorgeramtes Sr. Hochwürden Dechant-Pfarrer Gustav Dietl.
Es widmeten Spenden und emsige Mühen dem Altar und sämtlicher Ausstattung als Bevollmächtigte die Herren Kapellmeister Karl Müller, Baßgeiger Karl Müller, I. Violine Stefi Becker, I. Violine Karl Städtner, I. Violine Georg Stürzinger, die Frauen Katharina Müller, Wwe. Malcsi Hübner, Elise Müller. O Maria hilf uns, Deinem göttlichen Sohn, unserem Heiland Jesus einst in der Himmelsmusik auf ewig zu lobsingen. Amen." Also wurde diese Tafel wie auch der Marienaltar 1927 von den deutschen Zigeunermusikern (Volksmusiker) aus Temeswar gestiftet.
Meine Forschungen in Rekasch galten eigentlich der Kirchenmusik, die hier eine bunte Vielfalt aufzuweisen hat, lebten hier doch viele Jahrhunderte Schokatzen, Deutsche, Rumänen, Juden, Bulgaren und Ungarn friedlich nebeneinander. Die vielen äußerst interessanten und spannenden Tangenten zu den Zigeunern und deren Musik, die Wallfahrten zur Schwarzen Madonna, der Ursprung des deutschen Marienliedes „Heilige Maria von Rekasch, helfe uns!", verleiteten mich, tiefer in die schriftlich erhaltenen Quellen einzudringen. In dieser Gegend wohnten im Mittelalter die Illyrer, im Jahre 1392 gab es in Rekasch bereits eine Pfarrei. Der Name des Ortes kommt vom slawischen Wort Rieka, das Bach bedeutet. Das Dorf war ursprünglich an dem Ufer der Bega angesiedelt, die Einwohner mußten sich später wegen den vielen Überschwemmungen etwas nördlicher niederlassen. Um 1650 sind bereits die ersten Schokatzen verzeichnet, ihre Ansiedlung fand vermutlich viel früher statt. Diese kamen aus Kroatien. Ihre alten schokatzischen Coledanen (Volkslieder, Legendenlieder) sprechen vom dalmatinischen Meeresstrand und von der Flucht vor den heranrückenden Türken. Die ersten deutschen Kolonisten wurden 1724 in Rekasch angesiedelt. Die Pfarrgemeinde wurde früher von den Franziskanern betreut, die sich während der Türkenzeit um die Seelsorge bemühten. Bereits im Mittelalter stand hier eine Steinkirche, ein Teil einer Säule ist heute noch, teilweise eingemauert in der Kirchenmauer zu sehen.
Um die Schwarze Madonna von Rekasch breiteten sich viele Legenden aus. Deren Ursprung konnte bisher noch nicht geklärt werden. Sowohl die Schokatzen als auch die Deutschen des Ortes kennen verschiedene Legenden um diese Statue. Die älteste Legende stammt von den Schokatzen. Danach gab es 1721 auf dem Platz, wo jetzt die Kirche steht, einen kleinen Wald. Die Schokatzen wohnten damals in der Armag-Gegend, also am Bega-Ufer, ihre Toten wurden aber in diesem Wald beerdigt. Man baute hier eine Holzkirche, daneben stand ein alter Baum. Die Schwarze Madonna soll angeblich hier in der Höhlung des alten Baumes gefunden worden sein.
Als die Türkenkriege 1738-39 wüteten, versteckten die Franziskaner diese Statue wieder in der Baumhöhlung. Die Holzkirche brannte während dem Krieg samt dem alten Baum bis zur Asche ab, die Statue konnte aber nach der Rückkehr der Einwohner unversehrt gefunden werden. Durch den Rauch der Flammen war diese aber schwarz geworden. Auf der Stirn hatte die Statue einen weißen Fleck. Kaiserin Maria Theresia verhalf den Schokatzen nach dem Krieg, sich eine neue Kirche zu erbauen. Die nun eingewanderten Deutschen wollten ihre eigene katholische Kirche an einem anderen Ort erbauen. Deshalb brachte man die Schwarze Madonna zum neugewählten Ort. Zum Staunen aller Bewohner aber verschwand die Statue bei Nacht, und man fand sie am nächsten Tag am alten Platz wieder. Dieses Ereignis wiederholte sich nochmals und die deutschen Kolonisten sahen darin einen Fingerzeig Gottes. Also erbaute man die neue Kirche am ursprünglichen Platz, dort wo früher die Holzkirche mit dem alten hohlen Baum stand. Somit waren sowohl die Schokatzen als auch die Deutschen getröstet, das Urteil hat also die Statue selbst gefällt. Man benützte nun die neue Kirche gemeinsam.
Eine deutsche Legende erzählt, die Statue sei bei den Ausgrabungen für die neue Kirche in der Erde gefunden worden. Eine andere Variante sagt, man brachte diese aus Temeswar in den Ort.. Eine nächste schokatzische Version sagt, die Schwarze Madonna sei der Farbe wegen von den Zigeunern gestiftet worden.
In fast allen Legenden kommt ein hohler Baum vor, in welchem man diese Statue gefunden hat. Diese ist etwa 90 Zentimeter hoch, weist frühbarocke Elemente auf, und die Kleider Mariens wie auch des Jesuskindes wurden bereits mehrmals mit grellen Farben übermalt. Somit bleibt die Herkunft der Schwarzen Madonna von Rekasch auch weiterhin ein Geheimnis.
Über die Tradition der Wallfahrten an diesen Ort gibt es reichlich Quellen. In der Historia Domus der Pfarrei wird erwähnt, daß alljährlich am 2. Juli, am Fest der Mariä Heimsuchung, die Wallfahrt zur Muttergottes von Rekasch stattgefunden hat. Die ersten Wallfahrten fanden bereits am 2. Juli 1746 statt. Die Pilgerer wurden von den Franziskanerpatres außerhalb des Ortes empfangen, und mit Gesang zog man feierlich in die Kirche ein. Dabei sang man das Lied „Heilige Maria von Rekasch, helfe uns!" Ab der Mitte des 19. Jh. waren es hauptsächlich Temeswarer Zigeunermusiker, die alljährlich an diesen Ort pilgerten.
Die Temeswarer deutschen Zigeuner lebten in der Vorstadt Fabrik, hier gab es eine Trompeter- und eine Musikergasse. Am 1. Oktober 1783 hat die Magistratur der Festung sämtliche Zigeuner registriert. 1784 waren von den 50 Zigeunerfamilien 30 deutsche. Von diesen betrieben 36 das „Musikantenhandwerk", 30 von diesen hatten deutsche Namen: Widerhoffer, Becker, Steininger, Hübner, Städtner, Bernecker, Huber, Müller, Stürzinger, Leinberber, Herdenberger, Rosenberger, Kutschmann, Grünwald, Schön, Blüeis, Toll, Edelhart. Man vermutete auch, daß sie aus einer Gebirgsgegend gekommen seien, nachdem die Namen oft mit „...berger" enden.
Die alten Temeswarer Zeitungen veröffentlichten im 19. Jh. regelmäßig Annoncen Temeswarer Gastwirte, die mit Stolz auf ihre „Nationalkapelle" hinwiesen. Diese bestanden aus den erwähnten deutschen „Volksmusikern".
Im Laufe der Geschichte versuchten viele Priester, Ordensleute und Wissenschaftler die Frage zu klären, weshalb manche Marienstatuen schwarz sind. Eine eindeutige Antwort konnte man jedoch bis heute noch nicht finden. Das Gnadenbild der berühmten Klosterkirche Einsiedeln stellt ebenfalls eine Schwarze Muttergottes dar, die Statue stammt aus der Mitte des 15. Jh. und wurde von einem süddeutschen Meister geschnitzt. Sie weist viele Ähnlichkeiten mit der Schwarzen Madonna von Rekasch auf. Man sagt, die schwarze Färbung von Gesicht und Hände geht auf den Rauch der vielen Kerzen und Lampen zurück, die vor dem Gnadenbild brannten. Weshalb sind dann aber die restlichen Teile der Statue bunt? Andere behaupten, die schwarze Farbe sei der Holzart zu verdanken (Eiche, Esche), was sich aber als falsch erwiesen hat. Die katholische Kirche geht mit den Legenden um die Schwarze Muttergottes vorsichtig um, da bisher eine wissenschaftliche Klärung noch nicht gefunden werden konnte.
Die meisten schwarzen Muttergottesstatuen befinden sich in Frankreich (150) und Spanien (30). Alljährlich findet in Frankreich eine Zigeunerwallfahrt zur Maria de Meere (Saintes Maries de la Mer) statt, wo in einer dunklen Krypta die Statue der Schwarzen Sarah wacht.
Diese befindet sich in der Nähe einer angeblich wundervollbringenden Quelle, und die einzelnen Pilger rufen davor mit lauter Stimme ihr christliches Glaubensbekenntnis aus, also genau nach mittelalterlicher Tradition. Haben die Wallfahrten der Romas vom westlichen Teil unseres Kontinentes mit jenen in Rekasch außer der Schwarzen Madonna etwas gemeinsam? Wie konnte sich diese Tradition bis ins 20. Jh. erhalten und wie kam diese Parallele mit Rekasch in einer Entfernung von über 3000 Kilometer zustande? Fragen, die bisher noch niemand beantworten konnte.
Anmerkung: An dieser Stelle bedankt sich der Vorstand herzlichst bei Herrn Dr. Franz Metz für die freundliche Überlassung dieses Beitrags.