100 Jahre Rekascher Kirche

- Reise in die alte Heimat zum Kirchenjubiläum -


                                                               (Teil 1: Reisebericht)


 

In der Osterausgabe der „Banater Post“ luden wir zur anstehenden Busfahrt im September 2018 ein. Zum Erntedank im Oktober wollen wir uns bei allen, die dazu beigetragen haben, eine unvergessliche Reise zu erleben, bedanken.

Für einige Mitreisende war der Tag der Anreise recht lang, wenn man bedenkt, dass sie aus Freiburg, Bergisch-Gladbach, Stuttgart, Nürnberg, Kirchheim, Ulm und Aalen erstmals nach Karlsruhe und paar Stunden später nach Augsburg fahren mussten. Doch nachdem wir dann vollzählig am Mittwoch, dem 5.09, abends um 20:00 Uhr mit dem Reiseunternehmen „Feil“ Augsburg verließen, begann der eigentliche Urlaub. Der Sektbegrüßung und den reisetechnischen Worten des Organisatoren und HOG-Vorsitzenden, Erwin Lehretter, folgte ein Imbiss bei dem auch die obligatorischen Salzkipferl nicht fehlen durften und so hielten wir bis weit hinter Budapest die Nachtfahrt gut durch, wo es dann eine weitere Verpflegung seitens des Busunternehmens gab. Obwohl die ältesten Teilnehmer bereits einiges über achtzig waren, klagte keiner über steife Beine oder Schlaflosigkeit, zu groß war die Vorfreude über die anstehenden Ereignisse. So blickte man denn auch voller Neugierde auf die unbekannten Grenzübergänge, die nunmehr fertiggestellte Autobahn, die nicht mehr die alten Orte passiert, sondern daran vorbeiführt. Bei der Ausfahrt „Remetea Mare“ war dann schließlich jeder aufgeregt, befand man sich doch schon auf Heimatterritorium - und dennoch war es vielen fremd, was man da erblickte. Die Reisegruppe verteilte sich anschließend auf die beiden Hotels „Central“ und „Timişoara“, der Nachmittag wurde mit Geldwechseln, ersten Besorgungen und Besuchen verbracht und mit dem gemeinsamen Abendessen in der Gaststätte „Curtea berarilor“ abgeschlossen.
 

 Spaziergang am Domplatz.  Foto: Franz Rumesz

Unser eigentliches Reiseprogramm begann am Freitag, dem 7.09, als der Rekasch-Tag angesagt war. Emotionsgeladen stiegen wir an der katholischen (unserer) Kirche aus und begaben uns auf erste Wiedererkennungs-Touren, trafen die ersten Bekannten, sahen die ersten Veränderungen und erkannten doch das meiste wieder, obwohl für viele Mitreisende Jahrzehnte seit der Ausreise dazwischen lagen. Der Empfang im Heimat-Museum war überwältigend und war auch der Moment, als kein Auge trocken blieb: Der Bürgermeister der (nunmehr) Stadt Rekasch, Pavel Teodor, begrüßte uns offiziell und freundschaftlich. Doch richtig in der alten Heimat willkommen hießen uns Veronica Andruseac und Silvia Müller-Harhata, die ehemalige und gegenwärtige Leiterin des Museums, die unsere Anreise und die organisatorischen Vorbereitungen auch im Vorfeld bereits unterstützt hatten. Bei dem Rundgang durch das „Stitzlesche“ Haus, dem ehemaligen Wohnsitz  und der Praxis des Arztes, Dr. Josef Stitzl, der auch eine erste Ortschronik zu Rekasch verfasst hatte, konnten wir nicht nur Exponate wiedererkennen, sondern auch Bilder zu allen wichtigen Eckpunkten finden (kirchliche Ereignisse, Feierlichkeiten, Schule, Vereinsleben, Sport, Arbeitswelt, Musik, Weinkellerei, …), die liebevoll gesammelt und thematisch geordnet sind und immer wieder auf die kulturelle Vielfalt des Ortes mit den unterschiedlichen Ethnien (Schokatzen, Deutsche, Ungarn, Rumänen und Roma) hinweisen. Das Haus ist für viele auch der tatsächliche Geburtsort, da sich in diesen Räumen in den Fünfziger- und Sechzigerjahren die Entbindungsklinik befand.

 Vor dem Museum.  Foto: Stefan Lehretter

Bereits an dieser Stelle, dann aber auch zum Hauptereignis am Sonntag, bei der Festmesse, wurde unsere ca. 40-köpfige Reisegruppe von Redakteuren der deutschen und rumänischen Zeitung („Allgemeine Deutsche Zeitung“ und „Renaşterea bănăţeană“) begleitet, Raluca Nelepcu und Dumitru Oprişor führten Interviews mit einigen Mitreisenden, den älteren wie auch dem jüngsten Teilnehmer, der mit gerade mal 40 Jahren die Ereignisse als Neufeld empfand.  Gleichzeitig wurde auch auf die Präsenz der vollzähligen HOG-Vorstände hingewiesen: Der 1985 gegründeten Gemeinschaft der Rekascher in der Bundesrepublik standen zunächst Emil Frekot, danach Andreas Stark (jeweils vier Jahre), Nikolaus Lutz (sechzehn Jahre) und seit nunmehr neun Jahren Erwin Lehretter als Leiter vor.

 
Rekascher HOG-Vorsitzende.  Foto: Franz Tasch

Die Presse kündigte nicht nur unsere Reise an, sondern veröffentlichte auch detaillierte Berichte dazu (ADZ, vom 17.09).

Feierlich ging es weiter mit der Kranzniederlegung und Einsegnung im katholischen Friedhof, gemeinsam mit Pfarrer Anton Butnaru gedachten wir aller Verstorbener, in der alten wie auch der neuen Heimat, jeder suchte die Gräber von Familienmitgliedern, Nachbarn oder Freunden auf, kehrte die Betonplatten ab, rupfte die Grashalme aus, die inzwischen überall durchspitzen und brachte Kerzen und Blumen mit.


 Kranzniederlegung im Friedhof. Foto: Franz Tasch

Und gleich anschließend folgte auch schon der nächste Programmpunkt: Die Besichtigung der Weinkellerei, „Cramele Recaş“. Wir alle wussten schon immer, dass es dort guten Wein gab, aber wie spitzfindig der gute Boden, die Exposition, die klimatischen Verhältnisse und letztendlich auch die Spezialkenntnisse der Önologen dann mit den entsprechenden technischen und marktwirtschaftlichen Faktoren zusammenspielen, konnten wir in einer sehr komplexen Führung erfahren. Zunächst begrüßte uns der Direktor, Gheorghe Iova, der auch nicht vergaß, unsere Vorfahren als die Wegbereiter des Weinbaus auf den Hängen nördlich des Dorfes zu erwähnen, der aber auch auf ältere Dokumentationen zu dieser landwirtschaftlichen Nutzungsart aus dem Jahre 1447 hinwies. Detailliertere Informationen zum Anpflanzen, Pflegen, Ernten und Weiterverarbeiten der Weinreben erhielten wir von Marius Pasca, der uns durch Press-, Lager- und Kühlanlagen führte und nicht vergaß, die Modernität und Größe des bedeutendsten Exporteurs an Flaschenweinen aus Rumänien hervorzuheben, die letztendlich durch weltweite Investoren und Önologen sowie modernste Technologie und Abfüllanlagen beständig aufgewertet werden. Älteste Weine lagern hinter Gittern im Keller und wir konnten uns bei einer Weinverkostung in nebendran schön gestalteten Räumen mit dazugehörigem fünfgängigem Menü von Andrea Trezak im wahrsten Sinne „berauschen“ lassen. Entsprechend locker saß dann bei jedem der Geldbeutel, als es durch den sehr gut sortierten Verkaufsraum wieder hinausging. Ein Trost für Daheimgebliebene: Ab nächstem Jahr  wird es nicht nur über den bekannten Weinversand, sondern auch in unseren Supermärkten vermehrt Rekascher Weine geben.

 

 Besuch der Weinkellerei „Cramele Recas“ Foto: Stefan Lehretter

Den Abend wie auch alle anderen verbrachte unsere Reisegruppe individuell und trotzdem traf man immer wieder den ein oder anderen Bekannten in den vielen „Terrassen“, wie man in Temeswar die Außenanlagen der Gaststätten auf dem „Corso“ nennt. Erwähnenswert ist aber vor allem auch das Domviertel, vielmehr der gesamte Bereich um den sehr schön restaurierten Domplatz mit sämtlichen Seitenstraßen, die zur Fußgängerzone umgebaut worden sind, wo es zahlreiche Cafes (u.a. das Ferenc Illy, dem gebürtigen Temeswarer zu Ehren gestaltete), Bier- und Weinstuben, Restaurants, Imbisse und feinste Konditoreien gibt. Noch dazu hatten wir die Gunst, herrlichstes Septemberwetter zu haben, was im Banat immer noch paar Grad mehr sind als hierzulande.

Unter religiösem Vorzeichen stand der nächste Tag: Mariä Geburt (fliehe ti Schwalwe furt), war nicht der Tag der deutschen, sondern seit jeher jener der ungarischen Wallfahrer nach Maria Radna. Und unsere Reise führte denn auch über die nicht mehr zu erkennenden Orte wie Dumbravita, Bruckenau, Aliosch und Blumenthal über die Marosch zur imposanten renovierten Basilika, durch die zahlreichen Verkaufsstände unterhalb des Kirchengeländes, wo neben den feilgebotenen Baumkuchen, Alawitschka und Hausschokolade auch Bauchspeck und Mici gegrillt sowie Marienbildnisse und andere Devotionalien zum Kauf angeboten wurden. Das Hochamt, die Festmesse, wurde um 11 Uhr auch in ungarischer Sprache zelebriert, doch haben sich im Gottesdienst erstaunlich viele lateinische Passagen erhalten, wie sie bei uns gewohnten Messen nicht mehr zu hören sind. Der Einzug mancher Wallfahrtsgruppen - aber vor allem jener der zahlreichen Priester - war überwältigend. Die vom Bistum Temeswar mit Unterstützung der EU durchgeführten Sanierungsarbeiten ermöglichen es heute, dass neben dem geistlichen Zentrum im ehemaligen Franziskanerkloster auch Seminar- und Veranstaltungsräume genutzt werden können. Ein noch junges Museum beherbergt die Geschichte des Ortes, die Besiegung und Vertreibung der osmanischen Besatzer, verewigt den sogenannten „Türkenstein“ und gibt einen Überblick zum religiösen Geschehen im Banat der letzten dreihundert Jahre. Wer wollte, konnte die Vierzehn Stationen besichtigen, deren derzeitig etwas schlechtem Zustand auch unsere überreichte Spende zugutekommen soll. Nach so viel Religiosität konnten wir im Speisesaal des Veranstaltungstraktes zu Mittag essen und den Abend in Temeswar wieder ausklingen lassen.

 
Wallfahrtsort Maria Radna. Foto: Artur Wehner

Der eigentlich feierlichste Tag stand am Sonntag, dem 9. September an. Zwar wurde die in den Wirren des Ersten Weltkrieges errichtete neue katholische Kirche bereits am Gründonnerstag des Jahres 1918 geweiht, doch durch unsere Reise bedingt, einigte sich die Kirchengemeinde darauf, die Festmesse an diesem Sonntag zu zelebrieren. Etwas aufgewühlt und voller Erwartungen fuhren wir am Morgen nach Rekasch, waren auch sehr früh schon vor Ort und konnten unsere Kirche auf uns wirken lassen. In der von unserer HOG gestalteten viersprachigen Broschüre sind einige stilistische, geschichtliche und ethnische Grundlagen zu finden, auf welche jedoch erst im zweiten Teil des Reiseberichtes eingegangen werden soll,  der in der folgenden Ausgabe erscheinen  und sich vertieft mit der Kirche und ihren Besonderheiten beschäftigen wird.

Man erkannte die liebevolle Gestaltung des sakralen Raumes sofort beim Betreten des noch menschenleeren Gotteshauses: der Blumenschmuck an den Bänken und an den Altären, eine Bildersammlung aller gewesener Pfarrer im Eingangsbereich, die gestiftete Votivtafel in allen vier Sprachen der Gottesdienste, die in dieser Kirche gehalten werden. Die absolute Steigerung kam dann, als die Rekascher Blasmusik-Kapelle vom Rathaus zur Kirche zog, angeführt von zahlreichen Kindern in ungarischer, rumänischer, kroatischer und schwäbischer Tracht, dem Bürgermeister nebst Gefolge sowie vielen an der Organisation Beteiligten.  Die Kirche war bis auf den letzten Stehplatz besetzt. Zusammen mit dem Pfarrer Anton Butnaru  zelebrierte der Generalvikar Johann Dirschl vom Römisch-Katholischen Bistum in Temeswar in allen vier Sprachen der Gläubigen und es war beeindruckend, wie jede einzelne Ethnie ihre Gebete sprach, ihre Lieder sang, die Fürbitten las und schließlich zur Kommunion antrat. Nach den ofiziellen Begrüßungsreden, Danksagungen, Einweihung der Votivtafel sowie eines speziellen Gedenk-Banners, den die Stadt schenkte, erfolgten auch in diesem Rahmen, die Gastgeschenke: Anstecknadeln mit der Aufschrift des Ereignisse, Heiligenbildchen sowie unsere mitgebrachte Broschüre  wurden beim Auszug ausgetauscht. Auf den Kirchentreppen, wo zahlreiche Kommunions-, Kirchweih- und Hochzeitsbilder über das Jahrhundert hinweg entstanden, war kein Platz für alle, die am Gottesdienst teilgenommen hatten, sodass sich nur nach und nach die Gäste auf dem Kirchenvorplatz einfanden, freudig alte Bekannte, Nachbarn und Freunde wiedererkannten und ihre Freude darüber austauschen konnten. Die Blasmusik spielte ein Lied nach dem anderen, bis wir in den Bus einstiegen und zum Mittagessen ins Nachbardorf nach Herneacova fuhren (eigentlich einem Ortsteil: Simei), der als Naherholungs- und Wochenendgebiet mit Freizeit- und Gastronomieangeboten aufwartet. Als Eingeladene des Rathauses verbrachten wir einen angenehmen Nachmittag, tauschten Gastgeschenke und Danksagungen aus, besuchten noch ein letztes Mal Friedhof, Verwandte und Bekannte und zehrten von den Ereignissen dieses wundervollen Tages.

 Vor der Kirche. Foto: Klaus Krekel

Getoppt konnte dieser nicht mehr werden, und dennoch gab es noch eine Fortsetzung: Am Tag der Abreise bot der Archivar der Römisch-Katholischen Diözese, Claudiu Călin, uns  eine Führung durch das gleichnamige Museum an, das sich in den lange Jahre zweckentfremdeten Räumen befindet. Er zeigte uns die Krypta und dann anschließend die Kathedrale des Domes des Heiligen Georg, sprach über Geschichte und Gegenwart dieser besonderen Stadt Temeswar und sorgte in dieser ohnehin sehr aufgeladenen Stimmung für ein starkes Heimwehgefühl nach all dem, was jeder von uns hier erlebt hatte.

Die Heimreise musste dementsprechend so schnell gehen, dass keiner zu sentimental werden konnte, die Gruppe teilte sich ein wenig auf, manche blieben noch für paar Tage, andere flogen zurück, der Kern der Gruppe jedoch trat die Rückfahrt mit unserem Reisebus an, alle mit gefüllten Herzen und guten Gedanken, Caş und Wein im Gepäck, unzähligen Bildern auf den Handykameras und dank der vielen Fotografen auch zum Vorzeigen, was wir bei unserem nächsten Treffen, dem Jubiläumstreffen am 13. Oktober 2018 in Karlsruhe auch machen werden.

Weiter zu den Bilder.....                                                                                                         Waltraut Rumesz

                                                                                                              (im Namen des Vorstandes)

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