Ereignisse 1945 in Rekasch


 

 Das Jahr 1945 war für die Deutschen in Rekasch ein besonderes Schicksalsjahr. Es war nicht nur die Deportation der jungen Deutschen zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion und die Enteignung der deutschen Landwirte, sondern auch Angst und Schrecken sowie brutale Morde, die in diesem Jahr  zum Entsetzen aller Dorfbewohner durch eine kleine Gruppe schokatzischer Mitbewohner verbreitet bzw. verübt wurden.

Grundsätzlich gab es mit den Schokatzen (eine südslawische Bevölkerungsgruppe, die dem katholischen Glauben angehört und heute hauptsächlich in Kroation lebt), die zusammen mit den Deutschen im Jahre 1740 den heutigen Ort Rekasch gründeten, stets ein friedliches Zusammenleben. Nach der Besetzung Rumäniens durch die sowjetischen Truppen im August 1944 hat sich aber eine kleine schokatzische Gruppe, die sich aufgrund der slawischen Sprachenverwandtschaft mit den Besatzern verständigen konnte, plötzlich als „Herrscher“ aufgeführt. Mit Überfällen und Raub versuchten sie zu Reichtum zu kommen, wobei sie auch vor Mord nicht zurück schreckten.

Ein Mittel zu Geld zu kommen, war auch das Versprechen, dass sich Deutsche gegen hohe Geldsummen von der Deportation freikaufen könnten. Es ist bekannt, dass ihnen mehrere Leute dafür Geld gezahlt haben. Tatsächlich sind dann auch einige junge Leute von dem Transport zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion verschont geblieben; ob aufgrund dieser Geldzahlungen oder aufgrund anderer Beziehungen ist nicht bekannt.



Das Rekascher Sparkassengebäude in den 40. Jahren. Foto: Archiv der HOG Rekasch

Am 11.Januar 1945, also 3 Tage vor der Festnahme der jungen deutschen Frauen und Männer zur Deportation, fand der erste Mord an einem 45 Jahre alten deutschen Seilermeister, der auch Feuerwehrkommandant war, statt. Am späten Abend hörte er verdächtige Geräusche auf seinem Anwesen und vermutete gleich einen Übergriff durch die schokatzische Gruppe. Um der Gefahr zu entgehen, versuchte er zu flüchten, wobei ihn einer der Gruppe verfolgte und mit einem Schuss tötete.

Nach diesem schrecklichen Vorfall und der anschließenden Deportation haben sich ältere daheim gebliebene deutsche Männer entschlossen, zur Sicherheit ihrer Mitbürger in den einzelnen Straßen nachts von 20 bis 6 Uhr Wachen zu halten. In der Nacht des 2. Februar waren in der Straße mit dem artesischen Brunnen 4 Männer im Alter von 41 bis 47 Jahren als Wachen unterwegs, wobei sie jeweils in zweier Gruppen auf den gegenüber liegenden Seiten in entgegengesetzter Richtung patroullierten. Als sie sich wieder einmal an der Ecke zur Hauptstraße trafen, bemerkten sie eine Gruppe Männer in sowjetischer Uniform, die auf sie zukamen und ihnen in rumänischer Sprache befahlen, sich ihnen anzuschließen. Ein Widerstand schien angesichts der gezeigten Waffen aussichtslos. Der Weg führte zum Haus eines wohlhabenden 47 Jahre alten deutschen Landwirts. Nachdem dieser die Haustür geöffnet hatte, mussten sich die 4 Wachleute in dessen Wohnzimmer in einer Reihe aufstellen und dabei erkannten sie die schokatzischen Männer. Der Anführer der Gruppe verlangte von dem Landwirt 1.000.000 Lei. Der Landwirt beteuerte, nicht so viel Geld zu haben; er versprach aber, ihnen alles zu geben, was er zuhause hatte. Als seine Ehefrau das vorhandene Geld brachte, war das dem Anführer zu wenig und er schlug dem Landwirt mit dem Revolver in das Gesicht, so dass das Blut spritzte. Danach schoss er ihm in den Kopf und der Landwirt brach schwerst verletzt  zusammen. Außer dem Landwirtsehepaar war auch noch die 22 Monate alte Enkelin, deren Mutter deportiert war, in dem Zimmer. Da das Kind ängstlich schrie, feuerte der Anführer 6 Schüsse gegen dessen Bett, wobei das Kind auch verletzt wurde. Damit war die Schießwut des Anführers aber noch nicht beendet. Nun nahm er sich die Frau des Landwirts zum Ziel, schoss auf sie und traf sie an der Lunge, so dass sie neben ihrem Mann auf dem Boden zum Liegen kam. Danach befahl die  schokatzische Gruppe den Wachmännern, mit ihnen das Haus zu verlassen. Die drei Verletzten blieben bis zum frühen Morgen des nächsten Tages hilflos zurück. Erst dann traute sich einer der Wachmänner Verwandte der verletzten Familie über die Geschehnisse zu benachrichtigen. Mit den verständigten Polizisten gingen diese in das Haus und fanden die Verletzten hilflos vor Angst, Schmerzen und vor Kälte zitternd. Der herbeigerufene Arzt versorgte die Verletzten und veranlasste, dass der schwerverletzte Mann sofort mit dem Pferdeschlitten in das Krankenhaus nach Temeswar gebracht wurde. Dort ist er 2 Tage später an seinen schweren Verletzungen gestorben. Die Frau des Landwirts und das 22 Monate alte Enkelkind konnten wieder gesund gepflegt werden.

Damit war das Morden dieser schokatzischen Gruppe in dieser Nacht noch nicht zu Ende. Direkt nach dem Verlassen des Hauses des Landwirts mussten die Wachleute die schokatzische Gruppe zum Haus eines langjährigen deutschen Bürgermeister begleiten, der damals 60 Jahre alt war. Auf dem Weg dorthin kam ihnen ein junger rumänischer Mann (ein Flüchtling aus Bessarabien) entgegen, der auch gezwungen wurde, mitzugehen. Im Haus des ehemaligen Bürgermeisters forderten die immer noch in sowjetischer Uniform gekleideten Schokatzen wieder Geld. Der Anführer hielt dem Mann die Pistole an den Kopf und forderte sein Barvermögen. Nachdem dieser ihm 20.000 Lei auf den Tisch legte, schoss ihm der Anführer mitten ins Herz, so dass er sofort tot war. Dann schlug er der Frau die Pistole auf den Kopf, die dann auch gleich bewusstlos zusammen brach. Im Raum war eine Marmorplatte, die er auf die scheinbar tote Frau warf. Als er danach seine Pistole überprüfte, reagierte der Rumäne und schlug auf die Petroleumlampe, die sogleich erlosch. Diese Gelegenheit nutzten die vier deutschen Wachmänner, um nach draußen zu flüchten. Der Anführer schoss aber in der Dunkelheit noch um sich und traf den Rumänen tödlich. Dessen Frau blieb als Witwe mit 5 kleinen Kindern zurück. Die Frau des ehemaligen Bürgermeisters erlangte nach einigen Stunden wieder das Bewusstsein und schleppte sich in einem unbeschreiblichen Zustand zum Nachbarhaus und holte Hilfe.

Das verhängnisvolle Treiben nahm auch in den folgenden Monaten kein Ende. So geschah am 28. August ein weiterer Mord an einem deutschen 42-jährigen Landwirt, der bei Feldarbeiten war, und dessen Pferde im Laufe des Tages ohne ihren Herren zuhause ankamen. Als ihn seine Angehörigen suchten, fanden sie ihn ermordet auf dem Feld. Die Tat wurde wiederum dem Anführer der schokatzischen Gruppe zugeschrieben.

Dieser Anführer versuchte auch einmal, die grüne Grenze zu Ungarn zu überqueren. Dabei wurde er von Grenzsoldaten bemerkt, denen auch ein aus Rekasch stammender Ungar angehörte. Dieser erkannte ihn und sprach ihn mit seinem Namen an, woraufhin der Anführer sofort die Pistole zog und den Soldaten erschoss. Danach gelang ihm die Flucht.

Die schokatzische Gruppe trieb ihr Unwesen aber auch in verschiedenen Nachbarortschaften. So ist bekannt, dass sie auch in Deutschbentschek zahlreiche deutsche Dorfbewohner misshandelten und ausraubten. Eines Tages haben sie den dortigen ehemaligen deutschen Ortsgruppenleiter verhaftet und nach Rekasch mitgenommen. Von den betrunkenen Mitgliedern der Gruppe mit der Pistole bedroht und ständig geschlagen, sah er seinem Ende entgegen. Nachdem ihm die auf den Rücken gebundenen Hände gelöst wurden, gelang ihm dann in einem unbewachten Augenblick die Flucht. Aus Angst traute er sich wochenlang nicht nachhause und versteckte sich in den umliegenden Wäldern und Weingärten.

Nach etwa dreieinhalb Jahren wurde der Anführer und sein zur Gruppe gehörender Vater verhaftet und vor das Strafgericht in Temeswar gestellt. Eingeschüchtert und in  großer Angst waren weder die bei den Morden anwesenden noch andere Deutsche bereit, als Zeugen vor Gericht auszusagen. Die Frau des ermordeten Rumänen und Rumänen aus benachbarten Ortschaften, die auch beraubt wurden, hatten aber den Mut, als Zeuge der Anklage aufzutreten. Der Anführer wurde zu dreimal lebenslänglicher Haft verurteilt. Nach 20 Jahren wurde er wieder frei gelassen und hat sich dann in Lugosch niedergelassen. Nach kurzer Zeit wurde er dort eines Abends auf der Straße erschlagen aufgefunden. Sein Vater beging Selbstmord.

Franz Bertram

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