Juche, Kerweih!
Jahrgangstreffen der Rekascher mit Buchpräsentation zur Kirchweih
am 24. September 2022, in Königsbrunn
„Mit dem Herbst, da der Wein gekeltert wird, die Maiskolben ihr knisterndes Lieschenkleid hergeben müssen und man das Saatkorn in die aufgerissene Erde streut, kommt auch die Zeit der Kerweih. Wir dürfen mit Recht sagen, der schwäbischen Kerweih – denn sie gehört ausschließlich uns.“
(Franz Liebhard)
Dieser Auschnitt einer Reportage aus der Bukarester deutschen Tageszeitung „Neuer Weg“ von 1959 ist nicht nur von Stefan Lehretter seinem Bildband: „Kirchweih in Rekasch – Brauchtum im Banat“ vorangestellt worden, sondern er diente auch als Einführung der Buchpräsentation von Waltraut Rumesz. Gleich unter drei schlechten Vorzeichen stand die Veranstaltung vom 24. September 2022: Corona hatte viele Beteiligte ausgeknockt, die Verkehrslage auf den Autobahnen und der B17 hatte die Fernreisenden angehalten und zu allem Überfluss kippte auch noch das Wetter. Dennoch war die Veranstaltung gelungen!
Im „Trachtenheim“ Königsbrunn bei Augsburg fand das 29 Jahrgangstreffen der Rekascher statt, gekoppelt an die Vorstellung des erwähnten Bildbandes und umrahmt von Trachtengruppen, Musik und Tanz. Nach dem Saaleinlass und dem Warten auf die verspäteten auswärtigen Gäste traten die Tanzgruppen des „Augsburger Kreisverbandes der Banater Schwaben“ auf und boten als Kinder-, Jugend- und Erwachsenengruppen unter den Anleitungen von Ramona Abendschein, Andrea Kielburg und Ramona Sobota getrennt und zusammen vielerlei Tänze dar.
Die Augsburger Tanzgruppe in Banter Schwäbischer Tracht. Foto: Stefan Lehretter
Dank technischer Unterstützung durch den gebürtigen Josefsdorfer, Peter Bergmann, klappte auch die musikalische Umrahmung sowie der nachfolgende Vortrag: Liebe Maria, lieber Peter, habt vielen lieben Dank für euren Einsatz in Bild, Ton und Hilfestellung.
Augsburger Tanzgruppe. Foto: Stefan Lehretter
Bei dem anschließenden Vortrag ging es um ein Hineintasten in das Buch: So hob die Referentin einerseits aus dem Vorwort des HOG-Vorsitzenden, Erwin Lehretter, hervor, dass eine Dokumentation der Kirchweihfeste unabkömmlich sei, um nicht jahrhundertealte Traditionen zu vergessen. Andererseits aber auch wurde im Vorwort des Herausgebers, Stefan Lehretter darauf verwiesen, dass dieses Buch keine Monographie der Kirchweihfeste sei und auch nicht den Anspruch auf Vollständigkeit erhebe, sondern ein ganz bewusst gestalteter Bildband, der zwar auf die Besonderheiten der Rekascher Kirchweihfeste hinweist, ansonsten jedoch hauptsächlich die Bilder „sprechen lässt“. Dies ist dem Autoren vorzüglich gelungen!
„Erfunden wurde die Kerweih weder in Rekasch, noch im Banat!“ Mit dieser Aussage begannen die Kommentare zur Präsentation. Es wurde auf das Patrozinium der Kirche und dem zunächst vom 24. Juni (Johannes der Täufer, Schutzpatron der Rekascher Kirche) in den Oktober (nach Abschluss der Feldarbeiten) verlegten Festes verwiesen, welches dann wiederum in den 70er Jahren in den August zurück gebracht wurde, weil die meisten jugendlichen Mitwirkenden an die Schulferien gebunden waren. Ferner wurde auf den Wandel der Trachten aufmerksam gemacht: Ursprünglich war es die Sonntagstracht der Unverheirateten, danach jene der Banater Trachtenbälle und ab 1955 – dem ersten Kirchweihfest nach dem Zweiten Weltkrieg – setzte sich die dokumentierte Tracht durch, die auch detailgetreu im Buch beschrieben wird.
Waltraut Rumesz bei der Buchpräsentation. Foto: Peter und Maria Bergmann
Erste Bilddokumente stammen aus den 30er Jahren: Das sind wunderbar in Szene gesetzte Gruppenaufnahmen von 20 bis 30 Kirchweihpaaren, der Gastwirt, Ferdinand Tasch, auch immer mit auf den Aufnahmen, die damals noch aufwändig auf Photoplatten festgehalten worden waren und heute liebevoll vom Autoren bearbeitet wurden. Aus dem Jahr 1933 stammt das älteste erhaltene Photodokument, jene Jahre stellten nicht nur die Blütezeit der Banater Schwaben in wirtschaftlicher wie auch kultureller Hinsicht dar, sondern die Generation davor war vom Ersten Weltkrieg betroffen oder gar ausgelöscht worden, sodass im besagten Jahr gleichzeitig eine vom katholischen Frauenverbund organisierte Kinder- und eine Jugendlichenkirchweih stattfinden konnten. Es handelt sich um die Geburtenjahrgänge 1919 -27 bzw. 1915 – 1920. Die Jahre 1937 und 38 werden noch photographisch belegt sowie alljährliche Trachtenbälle zwischen 1936 bis 1941, die immer im Winter stattgefundene hatten, mit entsprechenden Straußlitzitationen und bemerkenswerten Aufnahmen mit den Spendern dieses ersteigerten bunt geschmückten Straußes. Nach diesen Jahren gab es keinen Anlass zu Feiern, bis die Kriegskinder, zumeist die Kindergeneration jener 33er Eltern nach Jahren der Umbrüche und der Missstände wieder die Initiative ergriffen und zunächst den Tanzsaal von dem dort gelagerten Getreide des staatlichen landwirtschaftlichen Betriebes freiräumten und nach alter Tradition wieder Kirchweih feierten. Dies waren jedoch nur die Jahre 1955, 56 und 58 und im Jahrzehnt danach die geburtenschwachen Jahrgänge der Nachkriegsgeneration, die 1965, 68 und 69 Kirchweihfeste feierten. Lediglich die 70er Jahre hatten bis zum Jahr 1979 jährliche Feiern vorzuweisen, allerdings mit immer weiter schrumpfenden Teilnehmerzahlen. Aus diesen Jahren stammen selbsterklärend auch die meisten Bilder, die heutigen Generationen erkennen sich auch noch selbst, wohingegen auf den älteren Aufnahmen oft ein N.B. für „nicht (mehr) bekannt“ steht
Das älteste erhaltene Rekascher Kirchweih-Photodokument aus dem Jahr 1933
Neben diesen chronologischen Wiedergaben stellt das Buch aber vor allem auch einzelne Kirchweih-Elemente vor – und so war auch der Vortrag aufgebaut: Die Tracht selbst, nebst allen Ritualen und Traditionen, die sich (leicht) abgewandelt haben in den gut dokumentierten Jahrzehnten, die aber immer unter dem gleichen Zeremoniell standen. Dankenswerter Weise ist viel Material zur Verfügung gestellt worden, das sind Bilder, aber auch Filmmitschnitte bereits damals in der Bundesrepublik lebender Verwandter, das gut erhalten ist und von Spendern zur Verfügung gestellt wurde. Der Vortrag erwähnte diese Rituale und den Ablauf der einzelnen Feier-Tage, ein kurzer eingespielter Filmmitschnitt widerspiegelte die Stimmung, die Farben, den Gleichschritt und auch das Zeremoniell zur Begrüßung der Gäste durch den Vortänzer und die Verlosung von Hut und Tuch durch die Geldherren. Schade nur, dass keine Originalaufnahme des „Kerweihstickls“ tontechnisch erhalten blieb, denn auch jenes war ein ganz besonderes Element.
Die Augsburger Tanzgruppe mit dem Rekascher Vorstand. Foto: Bergmann
Das Ende des Buches widmet sich den Ausklängen der Kirchweihfeste in Rekasch, die 1989 und 90 nochmals stattfanden, allerdings stark gerupft und kaum noch von deutschen Jugendlichen getragen. 2022 gab es – finanziert und unterstützt vom Deutschen Forum im Banat ein Revival eines Kirchweihfestes, organisiert von Tiberius Palikucsan, ehemaligem Mitwirkenden von 1990, der auch als Kirchweihvater agierte. Einen solchen jedoch gab es in Rekasch nie. Und überhaupt: wenn auch die Mitglieder verschiedener Tanzgruppen und Vereine sich viel Mühe gaben, Brauchtum und Traditionen einzuhalten, so war es doch nicht mehr die bewährte „Rekascher Kerweih“.
In der neugefundenen Heimat gab es auch ein Aufleben der Brauchtumspflege: Seit dem Jahr 2007 (und 09 und 11) gab es immer mal wieder auch Aufmärsche und Tanzeinlagen von vier bis zu zehn Paaren und einem Höhepunkt 2015 anlässlich der 30-Jahr-Feier seit dem Bestehen der HOG Rekasch mit insgesamt 23 Trachtenpaaren, begleitet von einer Blasmusikkapelle, bei der sämtliche Rekascher Musikanten nebst Nachkommen mitspielten.
Mit diesem Ereignis endet die Photodokumentation und auch die Buchvorstellung nahm hier ihr Ende mit dem Hinweis auf die Förderer des gesamten Unterfangens: Das ist das Kulturwerk der Banater Schwaben, e.V. Bayern, welches Mitteln des Bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales für solche Projekte zur Verfügung stellt. Die Bücher sind bei der Vorstandschaft bei Interesse abzuholen das sind die Ansprechpartner Erwin Lehretter in Augsburg (Tel. 0821/ 724221) und Franz Tasch in Karlsruhe (Tel. 0721/ 1326118)
Franz Tasch vertrat an dieser Veranstaltung den ersten Vorsitzenden, Erwin Lehretter, der krankheitsbedingt ausgefallen war, in seinen Begrüßungs-, Dankes- und Jahrgangstreffens-Reden, doch nur wenige der zu Feiernden 50 bis 85-Jährigen fanden den Weg hierher, zu viele der älteren Generationen sind inzwischen verstorben. Geehrt wurden auch die jeweils ältesten Besucher mit der schon zur Tradition gewordenen Schokolade für die Damen und dem Rekascher Wein für die Herren.
Dem Alter die Ehre: die Anwesenden drei ältesten Männer und die drei ältesten Frauen. Foto:Bergmann
Noch immer nicht genug des Programmes: Neben der exzellenten Küche des Trachtenheimes spielten ab 18:00 Uhr „Amore Blue“ zum Tanz auf. Das sind Bianca und Patrick Schummer, die sangen, spielten und gute Stimmung verbreiteten durch ein aufs Publikum abgestimmtes Repertoire, bei dem selbst „Perinita“ und „Doi ochi negri“ glaubwürdig an das tanzbegeisterte Publikum weitergegeben wurden. Da waren dann die autobahngebundenen Fernreisenden allerdings schon wieder weg und der Abend und die Veranstaltung auch am Ende angelangt.
Bianca und Patrick Schummer sorgten für Musik , Tanz und gute Stimmung. Foto: Stefan Lehretter
Dank gilt an dieser Stelle jeder und jedem, die/der sich in irgendeiner Weise eingebracht haben, ob das ein Fahrdienst, Hilfe bei der Dekoration, dem Film- und Tondienst war, der Tanzgruppe sowie allen Organisatoren und Gästen der Veranstaltung, die zum guten Gelingen dieses Festes beitrugen. Und ein besonderer Dank gilt natürlich dem Verfasser des Buches, ohne welches die Veranstaltung gar nicht so breit angelegt hätte stattfinden können. Das nächste Fest wird an Pfingsten 2023 in Karlsruhe sein: Das ist dann das reguläre HOG-Treffen mit Vorstandswahlen.
(Text: Waltraut Rumesz; Bilder: Maria und Peter Bergmann)